Türgriff, Schließzylinder überholen

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Restauration der Schließzylinder in den Türgriffen

Übersicht

Kurzbeschreibung Überholung der Schließzylinder in den Türgriffen der Fahrer- und Beifahrertür.
Alle Positions- und Richtungsangaben erfolgen in Fahrtrichtung, sofern nicht weiter spezifiziert!
Schwierigkeitsgrad einfach mittel schwer Dauer
Hilfsperson keine Erleichterung unbedingt erforderlich 4-5 Stunden
Ressourcen Standardwerkzeuge Sonderwerkzeuge
  • diverse Schraubendreher
  • Dorn
  • ggf. Bohrmaschine und Metallbohrer
  • ggf. Gewindeschneider

Sicherheit

Keine besonderen Sicherheitsaspekte.

Schließzylinder vom Türgriff trennen

Die folgende Anleitung gilt für alle Ausführungen (Limousine, Coupé, EDW).

Vorausgehende Arbeit: Ausbau Türgriff, siehe auch WIS 72-240 - Türgriff außen an der Fahrertür aus- und einbauen.

Mitnehmer hinten am Schließzylinder abnehmen

Der Mitnehmer sitzt in vorgegebener Position auf dem Ende/ Ausgang des Schließzylinders. Gesichert ist er mit einem kleinen Splint. Dieser lässt sich wunderbar mit einem kleinen Feinmechaniker-Schraubendreher in beliebige Richtung heraustreiben.

Türgriff 2.jpg Türgriff 3.jpg

Der Mitnehmer kann nun (incl. Feder) einfach abgezogen werden:

Türgriff 4.jpg


TIPP:

Einbauposition der Feder für Zusammenbau merken/ verstehen

Türgriff 5.jpg

Schließzylinder vom Türgriff trennen

Dieser Arbeitsschritt ist vom Hersteller nicht wirklich vorgesehen und der aufwändigste Teil der Arbeit. Der Schließzylinder wird durch zwei Splinte am Türgriff gehalten. Die Splinte bestehen aus aufgewickelten Blechstreifen. Der eine Splint greift durch den Rahmen des Schließzylinders durch zwei Bohrungen im Türgriff (siehe orangefarbener Kreis auf Abb.), so dass der Splint einfach mit einem geeigneten Dorn herausgetrieben werden kann. Der zweite Splint ist schwieriger zu entfernen, da er herausgezogen werden muss (siehe dunkelroter Kreis auf Abb.). Da es sich um eine kleine Stahlblechrolle handelt, die in der Mitte hohl ist, kann man versuchen, wiederum einen Feinmechanikerschraubendreher (dieser wird mit Sicherheit beschädigt!) mit leichten Schlägen in die Stahlblechrolle zu treiben und dann mit einer Zange wieder herauszuziehen. Mit Glück (1 Mal von 100 Versuchen) zieht man den Splint mit heraus. Alternativ kann man versuchen eine kleine Schraube hereinzudrehen, um damit den Splint zu entfernen.

Türgriff 6.jpg Türgriff 7.jpg

Sollten die aufgeführten Varianten nicht fruchten, so kann man den Splint auch ausbohren. Nach dem Aufbohren wird ein Gewinde geschnitten und beim Zusammenbau eine Madenschraube (M5, 10mm, muss etwas gekürzt werden mit dem Dremel) zur Befestigung genutzt, was wunderbar funktioniert und zukünftigen Wartungsarbeiten an dieser Stelle sehr zuträglich ist.

Türgriff 15.jpg

INFO:

In Fahrzeugen der ersten Serie wurde die Variante mit einer Schraube auch herstellerseitig zeitweise eingesetzt.

Zerlegen des Schließzylinders

Vor dem Zerlegen ist der Schließzylinder mit WD40 oder Fluid-Film oder ähnlichen Produkten zu fluten, am besten über Nacht darin einlegen. Der Schließzylinder ist mit einem O-Ring in den Türgriff gesetzt, beim Zusammenbau ist auf korrekten Sitz des O-Ringes zu achten. Der O-Ring sollte auf Beschädigungen oder Verhärtung untersucht werden und gegebenenfalls erneuert werden. Um den eigentlichen Schließzylinder aus der Hülle entfernen zu können, muss der Schlüssel noch irgendwie (notfalls mit „sanfter Gewalt“) eingeführt werden können. Etwas am Schlüssel drehen, damit die Plättchen noch ein letztes Mal in Bewegung geraten und nicht verkanten oder am alten Fett festkleben, und schon kann der innere Teil des Schließzylinders ein Stück aus der Hülle gezogen werden, bis er stecken bleibt. Diese Blockade lässt sich durch Herunterdrücken des vordersten Plättchens mit einem kleinen Schraubendreher lösen. Der Schließzylinder kann nun komplett aus der Hülle entfernt werden. Notfalls ein wenig hinten an der Aufnahme des Mitnehmers am Schließzylinderausgang drücken, damit der Widerstand des alten Fettes überwunden werden kann.

Türgriff 8.jpg

TIPP:

Da der Schließzylinder unter Umständen relativ spontan aus der Hülle gesprungen kommt, muss man vorbereitet sein, dass einem zahlreiche Federn und Plättchen entgegen gesprungen kommen.

Türgriff 9.jpg

Die Plättchen sind nummeriert und müssen in der ursprünglichen Reihenfolge wieder eingebaut werden, damit der Schlüssel am Ende wieder passt. Häufig wird das alte Fett die Plättchen gut halten, so dass man die Nummern und Positionen der Plättchen gut dokumentieren kann. Die Plättchen weisen jeweils eine eingravierte Nummer auf (siehe grün eingekreiste Bereiche der folgenden Abbildung). Plättchen können von oben oder unten in das Schließzylindergehäuse gesteckt werden. Es gibt die kleinen (einfachen) und die großen (doppelten) Plättchen, sowie das erste Plättchen (universal, nicht nummeriert), das für die Arretierung des gedrehten Schlüssels im Schließzylinder zuständig ist.

Türgriff 13.jpg

Eine kleine Zeichnung ist hilfreich, um die Nummern der Plättchen in den einzelnen Schlitzen (oben und unten) zu dokumentieren.

TIPP:

Die großen Plättchen weisen auf der Fahrerseite Nummern zwischen 10 und 14 auf. Auf der Beifahrerseite sind die Plättchen bei gleicher Schließanlage einstellig, also ohne die „1“ am Anfang nummeriert. Eine „12“ auf der Fahrerseite geht einher mit einer „2“ auf der Beifahrerseite. Vertauscht man die Plättchen zwischen Fahrer- und Beifahrerseite (die „12“ von der Fahrerseite auf die Beifahrerseite montiert und umgekehrt, kann man nicht schließen).

So sieht das Herz der Schließanlage aus:

Türgriff 12a.jpg Türgriff 12b.jpg

Innenleben des Schließzylinders restaurieren

Die Schließplättchen sitzen in den Schlitzen des Schließzylinders. Durch das alte, verhärtete Fett bleiben die meisten von ihnen an Ort und Stelle. Mit einem kleinen Schraubendreher und einer Pinzette müssen diese nun nach außen herausgezogen werden. Die Plättchen werden von kleinen Federn nach außen gedrückt. Die Federn sind nach dem Entfernen der Plättchen ebenfalls mit einer Pinzette herauszunehmen. Die Plättchen und Federn können durch das Einlegen in eine kleine Schale mit Bremsenreiniger und durch Reinigung mit einer feinen Zahn- oder Drahtbürste gereinigt werden.

Der Grund für die Schwergängigkeit der Schließung liegt an uraltem und ausgehärtetem Fett, wie man auf der folgenden Abbildung erkennen kann.

Türgriff 11a.jpg Türgriff 11b.jpg Türgriff 11c.jpg Türgriff 11d.jpg

Nach der Reinigung sieht es wesentlich besser aus:

Türgriff 14a.jpg Türgriff 14b.jpg Türgriff 14c.jpg

Zunächst wird das Fett mit einem feinen Schraubendreher herausgebrochen und danach der Schließzylinder auch in Bremsenreiniger eingelegt. Danach lassen sich die letzen Fettreste gut entfernen.

TIPP:

Es kann vorkommen, dass einige Plättchen etwas schwer aus der Hülle zu entfernen sind. Dies kann aus Aufbruchsversuchen resultieren. Die Plättchen haben leichte Verformungen, so dass sie sich sehr schwer in den Führungen bewegen. Mit etwas Schleifpapier kann der Grat entfernt werden, und die Plättchen sind wieder gängig.

Bereits beim Zusammenbau ist mit etwas Schmiermittel zu arbeiten. Dazu bietet sich u.a. Fluidfilm an. Da die Plättchen nach der Reinigung wieder gut gleiten, ist der Zusammenbau deutlich erschwert.

Das Prinzip ist, alle Federn und Plättchen wieder einzusetzen und das Ganze in die Schließzylinderhülle einzuführen. Auf Grund der Funktionsweise des Schließzylinders müssen alle Plättchen plan mit der Hülle sein.

Zunächst werden so viele Plättchen montiert, wie man mit Zeigefinger und Daumen gleichzeitig einigermaßen bändigen kann. Dann führt man den Schlüssel soweit ein, dass die Spitze gerade das hinterste Plättchen (Richtung Rückseite/Ende Schließzylinder) hält, und die nächsten Plättchen können montiert werden. Wenn alle Plättchen montiert sind und der Schlüssel komplett im Schließzylinder sitzt, müssen dieser plan mit der Außenhaut der Hülle sein.

Der Schließzylinder kann mit gestecktem Schlüssel soweit in die Hülle eingeführt werden, bis es nicht mehr weiter geht. Nun muss wiederum das vorderste Plättchen heruntergedrückt werden, und der Schließzylinder sitzt korrekt.

TIPP:

Durch die erfolgte Schmierung und die gute Gängigkeit der Teile rutscht der Schließzylinder nun recht leicht wieder aus der Hülle heraus, daher den Schlüssel vorsichtig herausziehen, während man außen entgegen der Zugrichtung gegenhält.

Noch einmal prüfen, ob er Schlüssel gängig ist und die Drehung einwandfrei funktioniert.

Zusammenbau

Jetzt alles in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammensetzen. Folgendes beachten:

  • korrekter Sitz des O-Ringes, der zwischen Türgriff und Schließzylinder sitzt
  • Zunächst den langen Splint eintreiben, dann die Madenschraube in das geschnittene Gewinde schrauben
  • Mechanik des Türgriffes nach zwischenzeitlicher Reinigung neu fetten
  • Mitnehmer am Ende des Schließzylinders wieder montieren. Er kann nicht verdreht eingebaut werden, insofern kein Fehlerpotential. Einzig ist es etwas fummelig, die Feder wieder zu spannen. Den Splint wieder eintreiben; der Türgriff kann wieder eingebaut werden.

Spezifische Problemfelder

Schlüssel lässt sich schwer oder gar nicht aus dem Schließzylinder entfernen

(wird vom Schließzylinder festgehalten)

Das erste Plättchen (siehe orangefarbener Kreis auf folgender Abb.) hält den Schlüssel im Schließzylinder, wenn er verdreht wird (mal ausprobieren: der Schlüssel sollte sich nicht aus dem Schließzylinder entfernen lassen, wenn er leicht verdreht wird). Dies hatte ich bei einem anderen Fahrzeug, und es ist unschön, den Wagen mit steckendem Schlüssel an der Straße stehen zu lassen. Noch schlimmer, da das Zündschloss nicht bedient werden kann, wenn es nicht gerade zuhause passiert. Problem ist die Schwergängigkeit bzw. Blockade des ersten Plättchens.

Türgriff 8a.jpg

Schlüssel läuft hakelig in den Schließzylinder

Zum einen liegt dies an dem alten, verklebten Fett, das die Plättchen in ihrer Bewegung hemmt. Zum anderen können Aufbruchsversuche oder das versehentliche Hereinwürgen eines falschen Schlüssels dazu geführt haben, dass die Plättchen einen Grat haben und somit sehr schwer durch die Führung gleiten.

Dies erkennt man nach dem Auseinanderbauen; ein vorhandener Grat kann mit Schleifpapier entfernt werden.

Schlüssel dreht nicht in Ausgangstellung zurück

Der im Schließzylinder steckende Schlüssel wird gegen eine Federkraft in Richtung „auf“ oder „zu“ gedreht. Lässt man den Schlüssel in einer der Positionen los, so dreht er selbsttätig in die Senkrechte zurück. Sollte dies nicht so sein, so ist die Feder am Ausgang des Schließzylinders, dort wo der Mitnehmer für die Schließmimik in der Tür ansetzt, gebrochen.

Türgriff 5.jpg

Chromplättchen verbogen oder schließt nicht

Das von außen zu sehende Chromplättchen wird durch zwei Federn in Richtung Türaußenseite gedrückt und schützt so das Innenleben des Schließzylinders vor Wasser und Schmutz. Bei Einführen des Schlüssels wird das Plättchen entgegen der Federkraft nach innen geschwenkt und gibt den Zugang zum Schließzylinder frei.

Ist das Plättchen verbogen oder schwenkt das Plättchen nach dem Herausziehen nicht mehr zurück, so ist der Schließzylinder vor Umwelteinflüssen nicht mehr geschützt. Abhilfe gibt es nicht, da keine Quelle zur Beschaffung der Einzelteile bekannt ist. Einzige Lösung ist der Umbau eines intakten Schließzylinders aus einem Spenderfahrzeug, wobei die Plättchen richtig kodiert verbaut werden müssen, oder der Neukauf der kompletten Einheit Türgriff/ Schließzylinder.

Pflege / Schmierung

Nach dem Öffnen des Schließzylinders wird klar, das Fett (also auch das gute Schließzylinderfett des Herstellers) früher oder später aushärtet. Da der Schließzylinder ein geschlossenes System ist, führt die Menge an altem Fett irgendwann dazu, dass die Mechanik nicht mehr so funktioniert wie am ersten Tag. Eine komplette Restauration wird notwendig.

WD 40 ist zu dünnflüssig und läuft hinten am Ausgang zum Mitnehmer raus, zudem ist die Schmierwirkung nicht zufriedenstellend. WD 40 kann man benutzten, muss dann aber häufig nachschmieren.

Ein deutlich besseres Mittel für diesen Zweck ist Fluidfilm, was ein einjähriger Test in der Praxis bestätigt. Das Mittel muss alle ein bis zwei Jahre (bei wenig genutzten Fahrzeugen u.U. seltener) ergänzt werden. Nach der Sichtung des verharzten Schließzylinderfettes ist dies allerdings die entspanntere Alternative im Vergleich zu einer Restauration des Bauteiles.